Keine Bindungswirkung zwischen gesetzlicher Unfallversicherung und Krankenkasse, wenn Unfallereignis kein Arbeitsunfall ist

Der bestandskräftige Bescheid eines Unfallversicherungsträgers, mit dem gegenüber einem Versicherten die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt worden ist, entfaltet keine Bindungswirkung gegenüber dem Krankenversicherungsträger, der die Kosten der Krankenbehandlung aus dem Unfallereignis von dem Unfallversicherungsträger erstattet bekommen möchte. Des Weiteren ist der Weg von der Wohnung zu einer Kindertagesstätte und zurück, um im Homeoffice aufgrund einer dahingehenden Vereinbarung mit dem Arbeitgeber zu arbeiten, weder in direkter noch in analoger Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VII versichert.

§ BSG, Urteil vom 30.01.2020 – B 2 U 19/18 R, juris (Terminbericht)

Das aktuelle noch nicht in der schriftlichen Begründung veröffentlichte Urteil des 2. Senats des BSG wird sowohl aufgrund seiner verfahrensrechtlichen als auch materiell-rechtlichen Brisanz bald in den juristischen Fachzeitschriften Eingang finden: Zum einen beendet dies Urteil eine bis dato schwebende Ungewissheit, wie sich der 2. Senat auf Dauer in der Frage der Bindungswirkung von Ablehnungsbescheiden für spätere Erstattungsstreitverfahren positionieren würde; und zum anderen wird einer Ausweitung des Versicherungsschutzes auf (Um-)Wegen, die der Unterbringung von Kindern während der Arbeitszeit im Homeoffice in außerhäuslichen Betreuungseinrichtungen dienen, eine Absage erteilt. 

In dem Streit zwischen der klagenden Krankenkasse und dem zuständigen Unfallversicherungsträger ging es um die Kosten der Heilbehandlung, die die Krankenkasse in der Folge eines Unfalls einer Versicherten auf dem Heimweg mit dem Fahrrad  vom Kindergarten nach Hause gewährt hatte. Die Versicherte hatte am Morgen die fünfjährige Tochter zum Kindergarten gebracht und wollte anschließend im Rahmen des sogenannten Teleworkings von zuhause aus arbeiten. Die Vorinstanzen hatten die auf § 105 SGB X gestützte Erstattungsklage der Krankenkasse abgewiesen. Diese Entscheidungen bestätigte der 2. Senat nunmehr mit dem vorliegenden Urteil, wobei er sich auch in der Sache mit dem Klageanspruch befasste und die Ablehnung nicht auf eine vermeintliche Bindungswirkung der Entscheidung des hier in Anspruch genommenen Unfallversicherungsträgers stützte. Im Gegensatz zu einem noch 2018 ergangenen Urteil (vom 20.3.2018B 2 U 16/16 R), wo der 2. Senat eine Festlegung darauf, dass die Bestandskraft eines ablehnenden Verwaltungsaktes gegenüber dem Leistungsberechtigten im Erstattungsverfahren zwischen zwei Sozialleistungsträgern unbeachtlich sei, noch vermied, hat er diese Rechtsauffassung nunmehr abschließend bestätigt.

Eine dennoch zu erhebende Anfrage an diejenigen Senate, die eine begrenzte Bindungswirkung angenommen hatten, hielt der 2. Senat jedoch mit Rücksicht auf die materielle Rechtslage für entbehrlich: Der Unfallversicherungsträger habe hier mit Recht seine Zuständigkeit mangels Versicherungsschutzes auf dem Weg der Versicherten von der Kindertagesstätte nach Hause abgelehnt, bei dem es sich weder um einen im Interesse ihres Betriebes zurückgelegten noch um einen versicherten Weg nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII (wegen des identischen Ausgangs- und Zielpunktes häusliche Wohnung) gehandelt habe. Einer analogen Anwendung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a SGB VII, die in der Literatur mit Rücksicht auf die sich wandelnde Arbeitswelt verschiedentlich befürwortet worden war, vermochte der 2. Senat nicht beizutreten, da die Entscheidung über die Ausweitung des Versicherungsschutzes über die vom Wortlaut der § 8 Abs. 2 SGB VII erfassten Wege hinaus vom Gesetzgeber  getroffen werden müsse. Eine unbeabsichtigte Regelungslücke könne angesichts der Relevanz dieser Fragestellung auch für freiwillig oder pflichtversicherte Selbständige, die ihrer Tätigkeit von zuhause nachgingen, schon unter Geltung Vorgängervorschriften des SGB VII nicht angenommen werden, da sie dem Gesetzgeber bereits damals als bekannt zu unterstellen sei.

Damit schließt die Entscheidung an eine frühere, zu einem Umweg von einem Betriebsweg zwecks Verbringung des Kindes in fremde Obhut ergangene Entscheidung (vom 12.1.2010 - B 2 U 35/08 R) nahtlos an. Verfahrensrechtlich nötigt das Urteil die Unfallversicherungsträger zwecks Vermeidung von Erstattungsstreitverfahren in Zweifelsfällen zu einer frühzeitigen Einbindung der Krankenkassen in das Verwaltungsverfahren.